OKTOBER 2025

FORM FOLLOWS FEELING

Es gibt Sätze, die wie Dogmen in der Geschichte der Gestaltung stehen. „Form follows function" war ein solches Mantra – streng, klar, unmissverständlich. Doch die Zeit hat uns gelehrt, dass Funktion allein nicht genügt. Der Mensch ist nicht nur ein Nutzer, er ist ein fühlendes Wesen.

Wenn wir Räume betreten, Dinge berühren oder Bilder betrachten, erinnern wir uns selten an ihre reine Funktion. Was bleibt, ist die Spur, die sie in uns hinterlassen: Wärme, Fremdheit, Geborgenheit, Leere. Gestaltung ist nicht nur ein Werkzeug der Zweckmäßigkeit – sie ist eine Sprache der Empfindungen.

„Form follows feeling" bedeutet: die Gestalt entsteht aus menschlicher Tiefe, nicht aus der Nüchternheit des Zweckes. Es ist ein Bekenntnis dazu, dass die Essenz guter Gestaltung darin liegt, wie sie uns berührt. Ein Stuhl, der uns willkommen heißt. Ein Logo, das Vertrauen flüstert. Ein Raum, der uns atmen lässt.

Gefühl ist dabei kein sentimentales Beiwerk, sondern der Ursprung. Ohne Gefühl bleibt jede Form leblos, wie ein Körper ohne Herzschlag. Erst die Empfindung haucht ihr Sinn ein und macht sie wahrhaftig.

Vielleicht ist dies die leise Revolution unserer Zeit: dass Gestaltung nicht länger nur einer Funktion dient, sondern einem inneren Resonanzraum. Dass wir Dinge nicht bauen, um gebraucht zu werden, sondern um berührt zu werden.

„Form follows feeling“, das ist keine Abkehr von der Funktion, sondern ihre Vollendung. Denn was nützt die präziseste Funktion, wenn sie uns kalt lässt? Erst wenn wir fühlen, erkennen wir die wahre Bedeutung von Form.