Es gibt Phrasen, die so oft wiederholt werden, dass sie ihre Bedeutung verlieren. »Thinking outside the box« ist eine davon. Es klingt nach kreativem Befreiungsschlag, nach mutigem Regelbruch. Doch bevor wir uns mit Verve aus der berühmten Kiste katapultieren, stellt sich eine grundlegendere Frage: Welche »box«?
Zu oft bleibt unklar, welche Grenzen wir eigentlich überwinden wollen. Innovation wird zum Selbstzweck, Kreativität zur bloßen Pose. Doch wahres Gestalten bedeutet nicht, Konventionen reflexhaft zu brechen, sondern sie zunächst zu verstehen. Es ist leicht, das Gewohnte als Fessel zu betrachten. Schwieriger ist es, zu erkennen, wann es trägt und wann es tatsächlich begrenzt.
Ein Blick in die Gestaltungsgeschichte zeigt: Jede Epoche hat ihre eigenen »Boxen«. Im Bauhaus wurden unter anderem Ornamente verbannt, um eine neue, funktionale Ästhetik zu etablieren. In den 1990er Jahren schien das »Anti-Design« mit dekonstruktiven Formen eine neue Radikalität zu fordern. All diese Brüche mit der Vergangenheit verfolgten jedoch ein höheres Ziel: Sie wollten nicht nur überraschen, sondern auch bedeutungsvolle Antworten auf die Bedürfnisse ihrer Zeit geben.
Der wahre Wert von Gestaltung liegt also nicht darin, nur zu gefallen, sich in Trends einzufügen oder Konventionen zu brechen, nur um aufzufallen. Gestaltung soll Gedanken formen und Bedeutung schaffen.
Ein Beispiel: Die Architektur. Was heute als visionär gilt, war einst radikal, gar skandalös. Frank Lloyd Wrights organische Bauweise oder Le Corbusiers Konzept der »Wohnmaschine« entsprangen nicht dem Drang, Bestehendes blind zu verwerfen. Sie waren wohlüberlegte Antworten auf überholte Prinzipien. Ihre Gebäude brachen mit Konventionen, weil sie verstanden, welche überholt waren – und welche fortbestehen sollten.
Die eigentliche Herausforderung besteht also nicht darin, außerhalb einer »box« zu denken, sondern vielmehr darin, zu erkennen, was diese »box« überhaupt ist. Manche Begrenzungen existieren aus gutem Grund – sie schaffen Orientierung, bieten Klarheit. Andere wiederum sind Relikte eines Denkens, das nicht mehr trägt.
Für uns bedeutet das: Weder blind Trends zu folgen noch programmatisch Konventionen zu brechen. Es bedeutet, hinzusehen, sich einzufühlen, zu hinterfragen – und dann bewusst zu gestalten.
Denn wirklich »outside the box« denken kann nur, wer weiß, was sich in ihr befindet. Und ob sie vielleicht doch mehr Schutz als Grenze war. Und ist »outside the box« nicht immer zugleich auch »inside« einer neuen »box«?
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